In der neuerlichen Beschäftigung mit Filmbildern aus dem Kino unter dem Titel Pink Panther entlässt Ristow die Motive aus diversen Filmen mit dem Protagonisten Bill Murray endgültig aus dem narrativen Kontext und vermischt sie mit unterschiedlichsten Werkgruppen, die aber immer noch bestimmte formale „Familienähnlichkeiten“ aufzuweisen scheinen. Die Verwendung von belgischem Leinen und Pink gehören ebenso zu diesen formalen Merkmalen, wie die später hinzukommenden „Bilderschilder“ auf Metall und der Einsatz von Orange, womit eine Reihe von Bildern zu Filmen von Liz Taylor, der letzten wahren Diva als Kino-Göttin, entstehen.
Schon in ihren frühstenn Zeichenserien beginnt Ristow, sich für das bewegte Bild im Allgemeinen (sie zeichnet seinerzeit Tänzer des European Dance Development Center) und das Standbild des Kinofilmes insbesondere zu interessieren. Sie beginnt in den Jahren seit 1998 nicht nur, Filme zeichnerisch zu analysieren, sozusagen in Form von umgekehrten Storyboards, sondern fängt 2005 auch damit an, Zeichenserien wiederum in DVDs zu verwandeln. 2004 beginnt sie außerdem die Arbeit an einem Zeichentrickfilm mit dem Titel „Displaced Body“, der 2009 als Teil des „Adonis Depots“ gezeigt wird. Das Video aus eigenen Zeichnungen, Fotos und Collagen ist seither fester Bestandteil der Arbeitsweise der Künstlerin.
Der Umgang mit der Ikonographie des Kinos bedeutet für Ristow einen ebenso wichtigen Einblick in das kollektive Gedächtnis wie die vielen Bezüge zu Mythos, Kunst- und Kulturgeschichte in ihrem Werk. Bei der Auswahl der Filme, die sie in herkömmlicher VHS-Videotechnik nie länger als 4,5 Minuten anhält (eine selbstgewählte „Spielregel“), sind ebenso persönliche Gründe wie die Qualität des Einzelbildes im betreffenden Filmstill ausschlaggebend. Die Handlung des Filmes ist erst in zweiter Linie von Belang. Nur wenige Filme kommen für eine monatelange, obsessive Beschäftigung tatsächlich in Frage.
1. Als erstes zeichnete Ristow 1998 unter dem Titel Augenblick den Stummfilm, der als erster ein Gesicht im Close-up brachte, „La Passion de Jeanne d’Arc“(1928) von Carl Th. Dreyer. Die enorme Dynamik des Zeichenprozesses drückt sich in der Verwendung von Tusche und der scheinbar zufälligen, wie weggeworfenen Anordnung der auf dem Boden verteilten 267 Blätter aus.
Von allen im Film befindlichen Einzelbildern interessieren sie nur diejenigen der Nahaufnahme des Gesichtes der Hauptdarstellerin Maria Falconetti, in der Masse scheint es sich nachher um unterschiedlichste Menschen, Männer wie Frauen, zu handeln. 2005 entsteht eine digitale filmische Bearbeitung der Zeichnungen als DVD (20 min).
2. Der nächste Film, den Ristow benutzt, ist aktuell in den Kinos zu sehen, als sie anfängt, ihn zu zeichnen: „Intimacy“ von Patrice Chereau (2001), wird in den Kohlezeichnungen auf grauem Photokarton zu watching intimacy.
Im Unterschied zu Augenblick ist nicht eine einzelne Protagonistin, sondern ein Paar Inhalt der Zeichnungen. Alle Szenen, in denen andere Personen hinzukommen und die erzählerische Handlung zu dominieren droht, werden weggelassen.
2005 entsteht auch von diesem Zeichenprojekt ein DVD-Film (10 min).
3. Das bislang aufwändigste Filmprojekt von Susanne Ristow entsteht 2002/2003 mit den Einsame Helden: die 205 Porträts auf massiven Holztafeln entstehen bei der Auseinandersetzung mit vier verschiedenen italo-amerikanischen Produktionen: „Spiel mir das Lied vom Tod“ (Charles Bronson), „Der letzte Tango in Paris“ ( Marlon Brando), „Apocalypse now / redux“ (Marlon Brando) sowie „Taxi Driver“ (Robert de Niro)
2005 bringt der Künstlerkollege Sascha Hahn die Einzelbilder in einer digitalen Diashow wieder als Video zusammen (16 min).
4. Nach den Einsame Helden wendet sich Ristow der einzigen denkbaren weiblichen einsamen Wölfin zu: Anna Magnani in Pasolinis „Mamma Roma“(1961).
2004/2005 entsteht die Serie mammaromamontage, 72 Leinwandrollen mit SW-Malerei + Zusatzfarbe (Bluebox-Blau). Diese Arbeit ist voraussichtlich die letzte, die mit dem herkömmlichen VHS-Video entstand, daher sind bstimmte Mängel/Charakteristika dieses Mediums auch zum formalen Inhalt der Arbeit hinzugekommen.
Die meisten Kinofilme sind inzwischen nur noch als DVD und nicht mehr als VHS-Video erhältlich, was den entscheidenen Nachteil/Vorteil mit sich bringt, dass Standbilder unbegrenzt lange angehalten werden können. Dies verändert die Dynamik der Arbeit beträchtlich und läßt Fragen zum künftigen „Access“ aufkommen. Mit dem digitalen Streaming von Filmen scheint Ristows Impuls, Bilder anzuhalten und ihnen eine haptische, zeichnerische oder malerische Präsenz zu verleihen, umso mehr Sinn zu machen, als jedes neue Medium auf diesem Gebiet für den Zuschauer im Heimkino einen Verlust an realer Verfügbarkeit bedeutet. Kann man Filme besitzen?