Kunst vs. Vermittlung?

Eine persönliche Positionierung

Die Arbeit an der Schnittstelle von Kunst und Vermittlung hat in den letzten Jahren an Profil gewonnen, ist aber auch gelegentlich zum Gegenstand gehöriger Polemik geworden.
Seit jeher streiten sich KünstlerInnen und KunstexpertInnen um die Frage, wie viel Vermittlung bzw. Didaktik die Kunst erträgt, ohne ihr freiheitliches Potential und ihre Lebendigkeit zu verlieren. Als KünstlerIn kann ich kategorisierende Belehrung und Didaktik ablehnen und dennoch leidenschaftlich in der Kunstvermittlung engagiert sein. Schon immer gab es hervorragende KünstlerInnen, die Lehre und Vermittlung als wichtigen Bestandteil der gesellschaftlichen Aufgabe des künstlerischen Tuns verstanden haben. Die Autorität der Künstler hatte nicht selten mit ihrem Vermittlungskonzept zu tun und ist in jedem Falle eine Frage der Kohärenz.
In unserer Zeit der zunehmenden Verdrängung von Kunst durch Marketing, Spekulation und kuratorisches Kuratell als Surrogate künstlerischer Inhalte und existenzieller Fragen ist es umgekehrt wichtig, dass Künstler sich verstärkt als Vermittler, Kuratoren, Forscher, Wissenschaftler und interdisziplinäre Botschafter begreifen. Kunstvermittlung wird auf diese Weise zur kulturellen Orientierung als Überlebensstrategie, zum „sense of coherence“.

Kunstvermittlung ist im hier vorgestellten Sinne nicht am Kunsthandel oder an der Vermittlung von Kunst in Kunstvereinen oder Galerien orientiert, sondern versteht sich im Sinne der antiken Akademie als horizontales Gespräch freier Menschen über Kunst.
Die ersten Ansätze moderner Kunstvermittlung finden sich schon in den Wunderkammern des 17. und 18. Jahrhunderts, und auch wenn hierzulande gern die Reformpädagogik des ausgehenden 19. Jahrhunderts als Initialzündung für die heutige Arbeit mit Besuchern in Museen benannt wird, sollten die zum Teil äußerst experimentellen Vermittlungstechniken der Aufklärungszeit nicht unerwähnt bleiben. In den USA entstehen schließlich im frühen 20. Jahrhundert die ersten Modelle an der Praxis orientierter und kooperativer Modelle, die heute noch weltweite Gültigkeit haben, deren bildungspolitische demokratische Leitgedanken aber auch nach wie vor auf ihre Realisierung warten lassen – es ist seit spätestens hundert Jahren sehr deutlich, was die im Medienzeitalter so (über)lebenswichtige „Kulturelle Bildung“ bedeuten könnte – dennoch hapert es vielerseits an der konkreten Umsetzung innovativer Vermittlungsideen und damit ist beileibe nicht nur die Herausforderungen durch soziale Netzwerke und digitale Vermittlungskonzepte gemeint. Der Umgang mit der immer komplexeren Heterogenität der Realität(en), Intermedia-Erfahrungen, Entgrenzung, Umgang mit Bilderflut und Herstellung von Medienkompetenz sind selbstverständliche Bestandteile der Arbeit als KunstvermittlerIn.
Man muß bei allem Innovationswillen auch nicht dauernd das Rad neu erfinden: HandsOn-Methoden, praxisnahe Vermittlung mit Erfahrungswert und dialogische Gesprächsstrukturen sind bewährte Formen der Interaktion mit anderen Menschen, die sich problemlos um weitere Bereiche ausweiten lassen. Um Dinge zu realisieren/materialisieren, die neu und anders sind, muß man auch den konventionellen Kanon beherrschen. Die hier vorgestellten Projekte und Formate sind der explizit künstlerische Versuch, neue Wege der Kunstvermittlung an der Schnittstelle von Kunst, Medien und Vermittlung auszuprobieren.

zum bundesdeutschen Standard der Kunstvermittlung: http://www.museumspaedagogik.org/fileadmin/user_upload/bund/PDF/2_9_1_1_Qualitaetskriterien_Museen_2008.pdf