Am 19.1.2022 fand die ursprünglich in Präsenz geplante Lecture „When too perfect, lieber Gott böse“. Kulturvirologische Betrachtungen zur künstlerischen Sprache der Fluxus-Akteure in Form einer Onlineveranstaltung mit zahlreichen Teilnehmern am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien statt: Spezifische künstlerischen Methoden und Ausdrucksmöglichkeiten der 1960er Jahre werden nach den Erkenntnissen der „Kulturvirologie“ erst vor dem Hintergrund neuer, physikalisch und biologisch inspirierter Interaktionsmodelle nach dem „Prinzip Virus“ denkbar, die ihre Entsprechung in Mikrobiologie, Ökologie und biologischer Strukturkoppelung finden. KünstlerInnen mit interkulturellem und partizipativem Potential wie Benjamin Patterson, Nam June Paik oder Yoko Ono dürfen als spezifische menschliche ÜberträgerInnen akustischer Fluxus-Viren angenommen werden, gegen die als Immunantwort des dominanten westlichen Kunstsystems seinerzeit noch keine ausreichend starken Abwehrkräfte oder gar Resistenzen entwickelt werden. Durch den Zweiten Weltkrieg befindet sich seinerzeit das kulturelle Informationssystem des Westens, metaphorisch gesprochen, in der Situation eines Transplantationspatienten, dessen Körper nur durch die Einnahme von immunsupressiven Medikamenten von der Akzeptanz eines „fremden“ neuen Organs überzeugt werden kann. Dies mag einer der historischen Gründe sein, warum gerade in den 1960er Jahren in der westlichen Welt eine besondere Vielfalt künstlerischer und gesellschaftlicher Innovationen aufkommen und breitenwirksam werden und „Diversität“ zum Paradigma der politischen Kultur der Gegenwart aufsteigen kann. Am Beispiel der viralen Praxis einer Auswahl intermedialer Fluxus-Werke wird die Weitergabe von Dada-Mikroben und Fluxus-Viren an Punk und digitale Partizipationskultur vorgestellt und ein aktueller Ausblick auf Prozesse der Viralität jenseits der Pandemie gewagt.